Text: Ute Korinth

Pott au Chocolat Magazin Pierre Manfred Kakaobohnen

DIE WISSENSCHAFT DES GUTEN GESCHMACKS

Warum Kakao den Forschergeist weckt

Pierre Le Roux ist Biochemiker. Aufgewachsen auf einer Farm in Südafrika, lebt er mittlerweile im südostafrikanischen Malawi. Die Landwirtschaft liegt ihm im Blut. „Mein Großvater hatte eine Farm, mein Vater pflanzte seine ersten Macadamia-Bäume 1961 an“, erzählt er.
Er selbst arbeitete lange Zeit im südafrikanischen Landwirtschaftsministerium. Seinen ersten Kontakt mit Kakao hatte er in der Vorschule. Sein Vater brachte eines Tages ein paar Kakaopflanzen aus einem Institut mit. Die Temperaturen waren am damaligen Wohnort zu kalt. Die Bäume starben.

Leidenschaft für Wissenschaft und Kakao

Wenn Pierre Le Roux erzählt, dann ist seine Passion für Wissenschaft in Kombination mit Landwirtschaft, aber auch für die Menschen spürbar. Und auch für Kakao. Sein tiefes Wissen über chemische Zusammenhänge, Bedingungen und Reaktionen im Zusammenhang mit Kakao und Agrikultur flößt ordentlich Respekt ein. Und doch kann er die teils sehr komplizierten Vorgänge so erklären, dass sie verständlicher werden. Und genau das ist eine der Fähigkeiten, die seine Zusammenarbeit mit Kakaobauern und allen an der Produktion und Verarbeitung von Kakao und Schokolade beteiligten Personen so nachhaltig macht.

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Kakaoexpertentreffen in Tansania

Als er vor einigen Jahren nach Malawi umzog, erinnerte er sich an die Kakaopflanzen, die sein Vater mitgebracht hatte und beschloss, einen neuen Versuch zu wagen. Er begann, in seinem eigenen Garten Kakao anzubauen. Zunächst als Hobby. Dann entschloss er sich, seine eigene Schokolade auch für den Markt herzustellen. From Bean to Bar. Die ersten Kakaobohnen bezog er vor nun schon acht Jahren von Kokoa Kamili, der Kooperative in Tansania, von der auch Pott au Chocolat unter anderem die Kakaobohnen bezieht. Und hier schließt sich der Kreis. Auf einer Reise in diesem Jahr kreuzten sich die Wege genau dort. In Tansania, bei Kokoa Kamili.

Von Mauritius aus die europäische Kakaowelt erobern

Pierre Le Roux hat sich zum Ziel gesetzt, die „Bean to Bar-Bewegung“ zu unterstützen und auszuweiten. Denn die ist es, die letztlich auch die Lebensumstände der Kakaobauern verbessert. Er möchte dafür sorgen, dass höhere Erträge und bessere Qualität zur Regel werden und allen zugute kommt. Noch fokussiert er sich mit seinem Geschäft auf den chinesischen und indischen Markt, doch schon bald wird er sein Geschäft nach Mauritius verlagern, von wo aus er auch seine noch kaum vorhandenen Geschäftsbeziehungen nach Europa aufbauen möchte.

Schokolade ist mehr als nur eine Süßigkeit

Die Leute interessieren sich zum Glück mehr und mehr auch für den Prozess der Schokoladenherstellung und die Lebensbedingungen der Menschen. Es gibt immer mehr Menschen, die Schokolade als Feinkost sehen und nicht nur als Süßigkeit“, sagt er und betont, wie wichtig ihm selbst der Erhalt der Umwelt ist.
Er möchte den Farmern beibringen, effektiver anzupflanzen und bessere Technologien zu verwenden. Er zeigt ihnen zum Beispiel, wie Bäume veredelt werden können, wie sie am besten beschnitten werden, aber auch, wie alte Kakaoplantagen wiederaufgebaut werden können und alte, wertvolle Sorten nicht verloren gehen. Denn es gibt Dinge in der Natur, die sich nicht ersetzen lassen. Und die, so sagt er, sollten wir besonders schützen und pflegen.

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Weniger Wald zerstören durch effektiveren Anbau

Im Gegensatz zu dogmatischen Befürwortern der Agrolandwirtschaft – bei der verschiedene Pflanzen auf einer Fläche miteinander kombiniert werden – favorisiert Pierre Le Roux eine andere Lösung. Er sagt, dass er den Bauern helfen kann, ihre Erträge so zu steigern, dass auf kleinen Flächen mehr wächst als zuvor. Infolgedessen wäre nur 20 bis 25% der derzeit angebauten Kakaoanbaufläche erforderlich, um eine entsprechende Menge an Kakao zu produzieren – die anderen 75% blieben völlig unberührt. Zudem möchte er gewährleisten, dass der Kakaoanbau nicht auf Flächen stattfindet, die aus umwelttechnischen Gründen besser nicht bepflanzt werden sollten. Er möchte dabei helfen, alte, wertvolle Varietäten auszusuchen und diese zu verbreiten und so anzupflanzen und zu bearbeiten, dass sie trotz der hohen Qualität einen hohen Ertrag abwerfen und dabei einen hervorragenden Geschmack haben und trotzdem weniger anfällig für Keime sind. Natürlich müssen in manchen Gegenden, in denen die Kakaopflanzen zu viel Sonne abbekommen, Pflanzen wie Bananen oder Schattenbäume, die für Holz nützlich sind, als Schattenspender dazwischen platziert werden. Jedoch nur so lange, bis die Kakaopflanzen älter sind, da sie sonst in Konkurrenz zu den anderen Pflanzen treten und diesen wertvollen Platz für weitere Kakaopflanzen wegnehmen. Kurz gesagt sollen also kleine Bereiche intensiver bepflanzt werden, damit der Rest der Wälder inklusive seiner Mikrofauna und –flora intakt bleiben kann.

Umweltbewusst und effektiv

Er zitiert den südafrikanischen Wildlife-Experten Ron Thomson, der sagt, dass sobald Menschen in ein Ökosystem eingreifen, dieses ein gesteuertes Ökosystem wird. „Es ist besser, Gebiete ordnungsgemäß und effektiv zu bewirtschaften – und zwar ohne Chemikalien und mit guter Technologie – als zu versuchen, eine annähernd nachhaltige Bepflanzung zu betreiben“, ergänzt Le Roux. Dies, so ist er überzeugt, ist die beste Möglichkeit, den Farmern den Lebensunterhalt zu sichern und gleichzeitig umweltbewusst vorzugehen.

Forschung braucht Geduld

Und wie geht das nun mit dem guten Geschmack, der hohen Qualität und dem guten Ertrag? „Bis wir genau wissen, was wir wie tun müssen, um optimale Ergebnisse zu erzielen, werden noch ein paar Jahre vergehen“, sagt er. Es sei genau wie beim Wein. Da habe es Jahrzehnte gedauert. Und damit das bei Kakao auch irgendwann so ist, analysiert er Blätter und Bäume, setzt verschiedenste organische Dünger ein, damit die organische Schichten auf dem Boden nicht zerstört werden, untersucht deren Feuchtigkeitsgehalt, Nährstoffe und vieles, vieles mehr. Das Wissen, das er daraus nach und nach gewinnt, gibt er jetzt schon zum Beispiel an Kokoa Kamili, aber auch andere Menschen weiter.

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Pott au Chocolat Magazin Pierre Fermentation
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Die Fermentierung als komplexer Prozess

Einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität und den Geschmack der Kakaosorten hat unter anderem die Fermentierung. Dazu ist es wichtig zu wissen, dass die verschiedenen Geschmacksnoten schon in der eigentlichen Frucht vorhanden sind. Die Fermentation hat einen Einfluss darauf, wie viel Säure, aber auch andere Aromen sich durchsetzen. „Niemand blickt derzeit bereits hundertprozentig durch, was genau zu welchem Ergebnis führt. Deshalb kann ich keine allgemeingültige Aussage machen“, sagt Le Roux. „Was wir
zunächst tun werden, ist, zu helfen die Varietät der jeweiligen Bereiche zu finden, die am besten ist und von da aus einen Fermentationsprozess entwickeln, der der Bohne ihren speziellen und irgendwann hoffentlich unverwechselbaren Charakter verleiht“, fügt er hinzu. Das, so sagt er, wird auf Dauer die Qualität und den Geschmack und die feinen Aromen dramatisch verbessern.

Konzentration auf ständige Verbesserung

Dazu möchte er in der Zukunft auch, ähnlich wie beim Whisky, „blended“ Versionen ausprobieren, also solche, die aus verschiedenen Varietäten gemischt sind. „Wir werden zunächst aus tausenden Bäumen die besten 200 auswählen und sie in kleinen Gruppen von 10 bis 20 pro Varietät pflanzen und dann schauen, welche Qualität die Früchte haben und ob das Ergebnis, unseren Erwartungen entspricht und uns so immer näher an ein perfektes und reproduzierbares Ergebnis herantasten“. Darauf will er in den nächsten Jahren seine gesamte Forschung ausrichten.

Chemische Prozesse in Holzboxen

Doch zurück zum eigentlichen Fermentationsprozess, der chemisch ziemlich komplex ist. Bei Kokoa Kamili findet der Prozess der Gärung zum Beispiel in Holzkisten statt, die mit Bananenblättern ausgelegt sind und in drei Etagen übereinander gestapelt sind. Die Bohnen kommen inklusive Fruchtfleisch in die Boxen. Der von Natur aus hohe Zuckeranteil im Fruchtfleisch bedingt, dass die Gärung schnell beginnt und die Temperaturen in den Boxen steigen. Der Zucker wird durch bis zu zehn verschiedene Hefen und Bakterien abgebaut und wandelt sich in Alkohol um. An diesem Prozess sind unter anderem auch Milchsäurebakterien beteiligt. Das Fruchtfleisch wird flüssig und die Kakaosamen werden frei und hören auf zu keimen. Dieser Prozess ist es, der den Bohnen einen unverwechselbaren Geschmack und ein unverwechselbares Aroma verleiht. Diese erste Phase findet anaerob statt, also unter Abwesenheit von Sauerstoff. Da die Umwandlung sonst nicht stattfinden kann.

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Bitterstoffe verschwinden, Aromen bilden sich intensiver heraus

Durch das Durchmischen der Masse in den einzelnen Kisten kommt schließlich Sauerstoff hinzu. Der Alkohol oxidiert zu Essigsäure. Während dieses Vorgangs steigen die Temperaturen immer schneller an und sorgen dafür, dass die Kakaosamen komplett absterben und schließlich zu Kakaobohnen werden. Dabei wiederum kommen diverse chemische Prozesse in Gang, die unter anderem dafür sorgen, dass die Bitterstoffe sich durch die nun geöffneten Zellwände verflüchtigen und Enzyme aktiv werden, die Proteine in Peptide und Aminosäuren zerlegen. Der gesamte Prozess der Fermentierung dauert in der Regel zwischen 2 bis 7 Tagen, abhängig von den Rebsorten und den gewünschten Ergebnissen. Im Anschluss an die Fermentierung werden die Bohnen getrocknet. Auch hier gibt es vieles zu beachten. Nur so viel: Wenn die Bohnen zu wenig trocknen, besteht die Gefahr, dass sie während des Transports schimmeln. Wenn die Trocknungsdauer zu lang ist, werden sie leicht sehr spröde und können während des Transports zerstört werden. Eine langsame Trocknung im Frühstadium ermöglicht zudem eine so genannte enzymatische Bräunung und eine weitere Verringerung der Fettigkeit der Bohnen.

Let’s roast!

Wenn die Bohnen dann irgendwann bei Pott au Chocolat ankommen, folgt der nächste entscheidende Schritt für die Aromenentfaltung. Die Röstung. Hier ist der wichtigste chemische Prozess die so genannte Maillard-Reaktion. Diese Reaktion sorgt nicht nur dafür, dass die Bohnen ihre braune Farbe bekommen, sondern auch dafür, dass Geschmack, Textur und Geruch sich ändern. Die Maillard-Reaktion beinhaltet eine komplexe Reaktion unterschiedlichster Moleküle. Die Reaktion, die übrigens auch beim Braten oder Backen auftritt, benötigt Hitze, Wasser, Zucker und Aminosäuren und Peptide. All das ist – bis auf die Hitze – schon in den Kakaobohnen enthalten. Die Intensität der Röstung, der PH-Wert der Bohnen, die Temperatur, die Dauer – all diese Faktoren haben einen Einfluss auf den späteren Geschmack der Bohne.
Einige Kakaoröster behandeln die Bohnen mit Alkalien, um den PH-Wert zu erhöhen und so eine stärkere Maillard-Reaktion hervorzurufen. Denn je stärker die Reaktion, desto intensiver wird der Schokoladengeschmack. Am häufigsten werden Backpulver oder Kartoffelsiumbicarbonat verwendet, um einen intensiveren Geschmack hervorzurufen. „Das sind alles Dinge, mit denen man herumprobieren kann, bis hier das optimale Ergebnis eintritt“, sagt Pierre Le Roux.

Erst nach dem Rösten schmeckt Schokolade wie Schokolade

Erst im Röstungsprozess bekommt also die Kakaobohne ihren schokoladigen Geschmack, weshalb auch Quatsch ist, dass Rohkakao, der gerade sehr beliebt ist, wie Schokolade schmeckt. Das ist chemisch gar nicht möglich. Und, so fügt Le Roux an, noch etwas anderes ist an dem Hype um Rohkakao bedenklich. Nur bei hohen Temperaturen werden auch die Bakterien im Kakao abgetötet. Es kann also und kam auch schon zu Fällen, wo durch Rohkakao Übelkeit und Vergiftungserscheinungen auftraten. Um die Rösttemperaturen niedrig zu halten, könnte hier das Zufügen von Wasser dafür sorgen, dass auch bei geringen Temperaturen mehr Bakterien absterben. Denn je trockener die Bohnen sind, desto geringer ist die Wasseraktivität, und umso höher muss die Temperatur sein, um Bakterien sterben zu lassen. Doch eine Garantie für nicht mehr vorhandene Bakaterien, so Le Roux, gibt es nicht.

 

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Nussig oder fruchtig, das ist hier die Frage

Und wie ist das nun mit dem Einfluss des Röstens auf den Geschmack? Das ist wieder so eine Sache, die nicht generalisiert werden kann. Sicher ist jedoch, dass, wenn fruchtige oder blumige Aromen verstärkt werden sollen, eine niedrigere Temperatur und ein nicht so langer Röstzeitraum entscheidend sind. Soll das schokoladige, nussige im Vordergrund stehe, so ist laut Pierre Le Roux ein etwas längerer und etwas höher temperierter Röstvorgang empfehlenswert. Und hier trennt sich auch die Spreu vom Weizen. Als kleiner Bean-to-Bar-Hersteller können wir mit solchen Dingen herumexperimentieren und so lange probieren, bis die beste Schokolade herauskommt. Und das braucht Zeit und kostet Geld. Bei den Herstellern der handelsüblichen Industrieschokolade wird auf diese Feinheiten keine Rücksicht gelegt. Weshalb sie, zusätzlich zur schlechten Bezahlung der Kakaobauern, auch hier Kosten spart, unter denen die Qualität enorm leidet. Ein weiterer Grund, lieber auf Billigprodukte im Supermarkt zu verzichten.

 

Bewusstsein für hochwertige Schokolade erhöhen

„Für uns ist es wichtig, dass es allen an der Kette der Schokoladenherstellung beteiligten Menschen gut geht, die Umwelt nicht zerstört wird und das Produkt qualitativ hochwertig ist“, sagt Pierre Le Roux. Und, was ihm außerdem noch am Herzen liegt, ist, die hochwertige Schokolade mehr Menschen zugänglich zu machen, die Geschichte dahinter zu erzählen und das Bewusstsein zu erhöhen, für die Herstellung, dafür, wie viele Geschmacksrichtungen es gibt, wie gesund Kakao sein kann und warum Schokolade eben so viel mehr ist als bloß eine Süßigkeit. Und genau darum geht es uns bei Pott au Chocolat auch.