Text: Ute Korinth

GESCHMACKSACHE

VON BANANEN-MOLEKÜLEN UND AROMAVIELFALT

„Nicht jeder hat die gleichen Bakterien im Mund. Daher schmecken wir alle unterschiedlich“, sagt Professor Dr. Klemens Störtkuhl, Experte für Sinnesphysiologe und Neurogenetik an der Ruhr-Universität Bochum. So richtig appetitlich klingt das nicht, ist aber elementar, um zu verstehen, warum Geschmäcker verschieden sind.
Seit vielen Jahren forscht Klemens Störtkuhl in Sachen Geschmack, Geruch und Sensorik. Derzeit gehört die Taufliege Drosophila, oft auch als Fruchtfliege bezeichnet, zu seinen liebsten tierischen Objekten. An ihr experimentiert er mit seinem Team unter anderem mit Bananen-Molekülen.

Die Zunge fürs Grobe, die Nase für Details

Aber was hat das alles mit Schokolade zu tun? Eine ganze Menge. Denn Klemens Störtkuhl gibt gemeinsam mit Manfred Glatzel Seminare zum Thema „Schokolade und Geschmack“. „Schokolade eignet sich hervorragend, um zu demonstrieren, wie Geschmack funktioniert“, so Dr. Störtkuhl. Vereinfacht könnte man sagen, dass die Zunge fürs Grobe, die Nase für die Details zuständig ist. Denn wir schmecken tatsächlich mit unserer Zunge und einer Schleimhaut auf der Nasenwurzel, genau zwischen den Augen.
Die Zunge ist mit zahlreichen Geschmackspapillen versehen, die – je nach Geschmacksrichtung – an unterschiedlichen Stellen angesiedelt sind. Diese Rezeptoren können jedoch nur fünf Geschmacksrichtungen unterscheiden: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Letzteres ist ein fleischig-würziger Geschmack, der in Schokolade nicht zu finden ist. Chemisch passiert folgendes: Im Speichel vorhandene Mikroorganismen spalten lange Kohlenstoffketten in kürzere und lassen so Aromen entstehen. Hinzu kommt, dass die sich im Mund befindlichen Bakterien die Intensität der Geschmacksrichtung bestimmen.

Eine Billion verschiedene Substanzen

Und jetzt kommt die Nase ins Spiel, die für die Feinarbeit zuständig ist. Sie besitzt über 15.000 Rezeptoren, die sie theoretisch in die Lage versetzt, über eine Billion verschiedener Substanzen zu erkennen. Sie erledigt quasi das Feintuning. Sie empfängt die verschiedensten Aromen aus der Mundhöhle, wandelt sie in Impulse um und schickt sie ans Gehirn. Der Geruch ist es übrigens auch, der uns letztlich entscheiden lässt, ob uns etwas schmeckt. Es reicht oft schon, etwas Unangenehmes zu riechen, um gar nicht erst zu probieren oder es für nicht lecker einzustufen. Aber Obacht: „Was Menschen als gut und schlecht riechend empfinden, lässt sich auch beeinflussen“, sagt Dr. Klemens Störtkuhl mit Blick auf dieDrosophila.

Mangohain in Schokolade schmeckbar

Nehmen wir Schokolade, so sind Aromen wie Vanille, Banane, nussig und rauchig an der Tagesordnung. Diese werden für die Schulung isoliert und den Schokoladenfans als gesonderte Flüssigkeiten präsentiert. Nicht zu vergessen, dass diese Aromen, die wir da schmecken, eigentlich nur Kohlenstoffatome sind. Aber keine Sorge, natürlich werden auch diverse „echte“ Schokoladensorten verköstigt. Denn bei der Schokolade kommt es nicht nur darauf an, welche Zutaten der Schokolade beigefügt werden, sondern auch darauf, wo der Kakao gewachsen ist und wie die Bohnen getrocknet und fermentiert wurden. Wächst Kakao zum Beispiel neben einem Mangohain, so lässt sich ganz klar eine Mangonote herausschmecken. Je nachdem, wie die Bohnen getrocknet werden, kann ein leicht rauchiger Geschmack entstehen. Auch auf die Fermentierung und deren perfektes Timing kommt es an. Hier entscheidet sich unter anderem, wie viele Bitterstoffe eine Schokolade später enthält.

Salz-Karamell-Liebe ist (noch) ein Rätsel

Eine echte Wissenschaft für sich also, das Zusammenspiel der Kakaobohnen mit den späteren Zutaten und den chemischen Prozessen, die in unserem Körper ablaufen. Diese lassen sich so gut an Schokolade darstellen, da diese fetthaltig ist und damit besonders aromenfreundlich. Eine gewisse Weile sollte man die zarten Stückchen jedoch im Mund zerlaufen lassen, bevor man sie schluckt. Denn erst dann kann sich die ganze Vielfalt der Aromen entfalten und der wahre Genuss entstehen.
„Auch ich habe in der Vorbereitung zum Seminar jede Menge über Schokolade gelernt“, sagt Klemens Störtkuhl und widmet sich wieder seiner Forschung. Warum uns salzige Substanzen in Verbindung mit süßen teils so gut schmecken, kann er wissenschaftlich übrigens noch nicht erklären. Denn das, so sagt er, wäre rein forschungstechnisch eher unlogisch. Es scheint, als stelle das schwer beliebte Salz-Karamell-Eis von Pott au Chocolat ihn vor ein kleines Rätsel, das es noch zu lösen gilt…